Squaw Hildegard Roses Bilder im Kunstraum Potsdam

oder
Eine Ausstellung geschenkt zu bekommen - ist schon ein besonderer Glücksmoment im Leben eines Künstlers.
Herzlichen Glückwunsch liebe Frau Rose zu dieser Ausstellung und vielen Dank Herr Rose für ihr Geschenk.
Vielen Dank – auch allen Beteiligten.

Die Potsdamer Künstlerin, Squaw Hildegard Rose, wurde in Kiel in eine Zeit hineingeboren in der zwei kunstpolitische Strömungen miteinander konkurrierten. Formalisierung hier und Aktualisierung der Form dort - führten aus der politischen Katastrophe, der die geistige vorausging nicht heraus - in der Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Sie hatte und hat das Glück im Umfeld intellektueller Offenheit in Braunschweig studieren und in Berlin und seit geraumer Zeit bereits in Potsdam - leben zu können.
Fließende Grenzen zwischen abstrakter und vom Gegenstand ausgehende Malerei waren ihren Werken schon immer eigen. Komplizierte, geschichtete und verschränkte Strukturen und Farbflächen, steigen in ihnen auf und ab, und werden mit vorgefundenen Materialien kompositorisch verbunden.

Kaum zu glauben, daß es eine kulturpolitisch-strategische Verbindung zwischen den hier ausgestellten naiven und höchst inhumanen Kunstinsignien der östlichen Militärmacht und der modernen Kunst geben kann. Die Assoziation der überschäumenden, russisch orientierten mitteleuropäischen Avantgardekunst der Zwanzigerjahre drängt sich auf und verbietet sich zugleich.
Welch ein Dilemma der Zeiten und gleichzeitiges Ergebnis einer komplexen Bildwirklichkeit. Dies ist auch das »Ineinandergreifen der Möglichkeiten« von dem Kandinsky sprach. Die viel zitierte Kombination der Zusammenklänge des Abstrakten mit dem Realen. Die Lizenz der Multimaterialität die die Moderne hervorbrachte.
Russische Assoziation in der Ausstellung ist ebenfalls, das linke Kulturpolitiker wie der französische Kulturminister André Malraux nach Moskau reisten, ins Zentrum der östlichen Diktatur der dreißiger Jahre, um in einem Vortrag zu sagen:

»Wenn die Künstler ›Seeleningenieure‹ sind, dann vergesse man nicht, dass es der höchste Auftrag des Ingenieurs ist zu erfinden. Kunst ist nicht Unterwerfung, sie ist Eroberung.«

Sie können sich vorstellen, daß der Beifall, der seiner Rede gespendet wurde, in den Wirren der politischen Konstellationen verhallte. Das Echo erstarrte am Eiswall des Kalten Krieges und –
wir alle wissen es - die Kunstentwicklungen gingen extrem unterschiedliche Wege.

Diese Krisenzeit zerrte Künstler, wie SHR aus der »schönen Klausur der ästhetischen Selbstbetrachtung« heraus und machte die Selbstbefragung zur Pflicht. Drängte zur Formerneuerung, zur Aktualisierung, im Sinne von actualité und zur Ächtung einseitiger, diktatorischer Betrachtungsmechanismen. U n d baute neue Schranken auf.
»Keine Bejahung schließt die Verneinung eben völlig aus«
Man muß Squaw Hildegard Rose, angesichts dieser Ausstellung gratulieren, zu ihrem Mut und zu ihrer Standfestigkeit, ihren Weg unbeirrbar zu gehen. Denn - sich den Strömungen der Zeit und den alles verschlingenden Marktgesetzen entgegenzustellen und zu verweigern ist nicht von Vorteil und schon gar nicht leicht. Squaw Hildegard Rose konnte sich diesen Luxus leisten. Ihr ist diese Tatsache bewusst, sie ist dafür dankbar und beschenkt uns mit ihren Bilder.
So wie einst die Surrealisten den Gegensatz von Geist und Körper überwinden wollten und ein Höchstmaß an geistiger und körperlicher Freiheit anstrebten, die totale, uneingeschränkte Expansion der Triebe und das bewusst gemalte ›Unbewusste‹ postulierten und
poetische Symbole kreierten, setzt Squaw Hildegard Rose diese Problemstellung bewusst in ihrer Malerei und Collagetechnik ein. Sie garantiert ihr ein Maximum an Selbstverwirklichung. Ihre Visionen missachten bewusst rationale Maßbeziehungen. Ihre Malerei wird zum optischen Erlebnis und zum Experimentierfeld in dem s i e agiert und u n s spekulieren lässt.
Squaw Hildegard Rose ist aber auch Expressionistin, denn sie möchte Wirklichkeit nicht im Hinblick auf ihren objektiven Bestand wiedergeben, sondern der bewussten und subjektiven Veränderung aussetzen.
Es ist ein Irrglaube zudenken, daß sie spontane Bilder malt, die ohne jegliche Kontrollfunktion entstehen. Die erhitzte Ausdruckstemperatur des Expressionismus ist ebenso vorhanden, wie die experimentelle Laborkühle des Surrealismus.
Ihre Röntgenaufnahmen (im oberen Ausstellungsbereich) - sind so geschickt gewählt, montiert und übermalt, daß sie uns fast an Rilkes »Weltinnenraum« erinnern, an das Verlangen nach Veranschaulichung eines ›Eigenlebens‹ im Bild, in dem körperliche und seelische Kräfte ineinander fließen und erstaunliche neue künstlerische Erlebnisdimensionen schaffen.
Ihre quasi ›psychologischen Morphologien‹ arbeiten mit dem Formenschatz des Bekannten und erwecken die Vorstellung von Umstülpungen, organischen, komplexen Gebilden, ja Gewebeuniversen, die von innen heraus aufgewühlt sind und zu leuchten scheinen. Und sie sind dennoch keine gärenden oder qualligen Formen der Introvertiertheit.
Was ich an ihren Werken sehr mag ist die Tatsache, daß Sie es immer wieder schafft mit ihren Gebilden eine sehr eigene und persönliche Beziehung aufzubauen - zwischen ›Betrachter‹ und ›Betrachtetem‹.
Für mich ist das faszinierende an ihren Werken, das sie keine direkten Bezugssysteme aufweisen. Sie vermeidet jegliche hierarchische Bindung. Man unterwirft sich freiwillig den zentrifugal verlaufenden Bezügen in ihren Bildern - und hat nicht das Gefühl einer Mitte zustreben zu müssen.
Fast sprengt sie die normal vorgegebene Ordnung und gibt dem Betrachter das Gefühl, das er zur einzigen maßgebenden Größe wird. Jedoch dies nicht etwa im Sinne der kanonische Entsprechung des idealen Körpers. Die psychophysischen Bedürfnisse des Betrachters werden gefordert.
Squaw Hildegard Roses Bilder sind aber auch die Projektionen ihrer Ängste, Begierden und Ekstasen. Überspitz gesagt: ist das wunderbare an ihrer Kunst, das ihre Formen, Farben und Gegenstände nicht für s i e und für s i c h allein existieren. Sie funktionieren eben nur in dem Maße, in dem all ihre Unruhe mit einfließt und wir dem Dilemma überlassen werden - es zu erkennen.

Modern an ihren Arbeiten ist ebenfalls, dass es keine in sich begrenzten, abgeschlossenen, autarken Gegenstände gibt. Kein additives Nebeneinander. Keine selbstgenügsamen Formtatsachen. Jedes Ding kann in ein anderes umschlagen, Nahes sich dem Fernen verbünden, das stark Farbige dem Monochromen, das Belebte in das Unbelebte übergehen. Sie sieht die Dinge nicht für sich, sondern in handelnden Beziehungen, quasi im Kräftetausch. Und wenn sie genau hinschaun entdecken sie sehr leicht in ihren Arbeiten das jedes Formgebilde metamorph ist - halb Geschöpf, halb Gebilde. Wie aus Lebewesen hervorgegangen.
Diese verwirrende, feingliedrige und ästhetisch hochanspruchsvolle Symbiose aus organischen sowie Farb- und Formelementen ist geplant. Sie lässt den Schluss zu – das der Mensch mit seinen Kunstformen verschmilzt!
Im Sinne surrealistischer Poetik ist das ein von ihr gewollten Akt der Befreiung. Der Mensch als ›Spieler und Handelnder‹, als Erfinder der totalen Freiheit? Oder wie die Surrealisten es nannten »Nabelschnüre zu anderen Sonnen« führen?
Aber es gibt selbstverständlich auch die In-Frage-Stellung – es können auch andere Aspekte dieser Metamorphosen möglich sein, nämlich, dass die künstlerisch verfremdeten, agierenden Körperteile in die Gewalt der selbst erschaffenden Apparate geraten sind?
Schicksal des Zauberlehrlings? Dämonisches Instrumentarium der Gestaltungskraft eines Kafka?
Keine Angst meine Damen und Herren Squaw Hildegard Rose lässt es nicht zur ekstatischen Symbiose von Mensch und Gerät kommen. Sie erkennt und beherrscht meisterhaft die geheimnisvolle Ambivalenz der technischen Röntgenfundstücke und tritt mit Farben und Formen der drohenden Gefahr der Beschädigung der Sinne entgegen und verteidigt damit die Freiheit der Kunst.
Sie ist keinesfalls eine Moralistin, die Zensuren verteilt. Aus ihren faszinierenden Arbeiten bricht eine farbige Explosion hervor und es ist zur gleichen Zeit - tiefe, meditative Stille - vorhanden. Ihre Kunstwerke entstehen eben n i c h t zum Zeitvertreib in der Berliner Vorstadt in Potsdam, sondern es sind Werke gegen die bereits am Anfang genannte - selbstzufriedene ästhetische Genügsamkeit, die Delektation.
Es sind Werke - die zeigen wie sich eine Künstlerin der Welt öffnet um danach eine eigene Form zu finden und um den Konflikt zwischen dem Verlangen, die Welt und das Leben des anderen zu ändern, und dem Verlangen, ihr eigenes Leben zu ändern.
Und gewiß ist auch ihr der Ausspruch eines anderen großen Künstlers Verpflichtung »Dem Licht eine Welt zu geben«.

Hans-Jörg Schirmbeck, Potsdam, Januar 2008